„Respekt ist keine Einbahnstraße“
„Mittlerweile haben alle Rettungswagen Panikverriegelungen“, sagt Brandoberinspektor Tobias Schmidt, den alle nur Tobi nennen. „Es gibt Bevölkerungsteile“, weiß er zu berichten, „die sich schnell mal in Horden zusammenrotten und den Wagen stürmen.“ Mit Mitte 40 ist der Feuerwehrmann Wachhabender mit Verantwortung für 30 Kolleg*innen, plant deren Einsatz auf der Leitstelle, als Notfallsanitäter oder Gruppenführer, auf Löschfahrzeugen oder mit Atemschutzgerät.
Dabei musste er sich, wie er es selbst formuliert, „arg durchsetzen gegen meine Eltern“. Die Mutter war Lehrerin, der Vater Beamter in der Stadtverwaltung im gehobenen Dienst. Da passte der Kindheitstraum „Feuerwehrmann“ nicht so recht. „Ich habe das nie bereut“, erzählt Schmidt von den Anfängen im Zivildienst und seinem anschließenden „monatelangen Praktikum“ bei der Feuerwehr in Arizona, das sich aus einer Brieffreundschaft entwickelte. Aus seiner Liebe zu den USA macht Schmidt keinen Hehl, mehr noch, die Tätowierungen auf seinen Armen erzählen ganze Geschichten auf der Route 66 von Santa Monica bis Johnny Cash.
Und doch arbeitet er in Gelsenkirchen, erzählt davon, dass sich die jährlichen Einsätze dort innerhalb von 20 Jahren von 30.000 auf 60.000 verdoppelt haben, von Babyboomern, die in den Ruhestand gehen, und von Stellen, die nicht nachbesetzt werden können. Er erzählt von hilflosen Versuchen, dem Problem zu begegnen, indem die Altersgrenze hinaufgesetzt wird. Und er berichtet von verbalen Entgleisungen, die es regelmäßig gebe. „Ich lasse erst die Polizei aufräumen, damit ich mich nachher um die Verlierer kümmern kann“, sagt Schmidt und konstatiert: „Ich habe Glück und die Gabe gehabt, echten Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen.“ Mit „Gabe“ meint er etwa jene Geschichte, als er zu einem Notfall gerufen wurde und an der Tür von einem jungen Mann aufgefordert wurde, die Schuhe auszuziehen. Als er sich weigerte, seine Sicherheitsschuhe auszuziehen, und den Mann stattdessen bat, den Patienten zur Tür zu bringen, damit man ihn mitnehmen könne, wurde er mit den Worten „Verpiss dich, du Nazi“ hinauskomplimentiert. Für Schmidt war die Sache damit erledigt und tatsächlich schien der Notfall nicht so dramatisch gewesen zu sein. Denn es wurde kein „Ersatz“ angefordert.
„Es gibt aber immer auch tolle Erlebnisse“, stellt Tobi Schmidt klar, der nichts besonders hervorheben will, am ehesten noch den Teamerfolg und die Kameradschaft bei der Feuerwehr. Seine Familie ist dem zweifachen Vater besonders wichtig, gerne darf es da mit dem Wohnwagen in den Süden gehen. Unterwasserrugby spielt Schmidt aber ohne Familie. Dass ihm Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit besonders wichtig sind, passt. „Respekt ist keine Einbahnstraße“, zieht Schmidt ein gut handelbares Fazit.